Ein süßes und gesegnetes Jahr 5784!

01.10.2024

Zum Beginn des neuen Jahres 5785 wünschen wir allen von Herzen ein süßes und gesegnetes Jahr, das von Frieden, Empathie und Zuversicht geprägt sei. Möge es ein Jahr der Liebe und der Zuneigung, der Verbundenheit und des gegenseitigen Vertrauens werden – sowohl in uns selbst als auch in unsere Mitmenschen. Wir hoffen auf gute Entscheidungen, auf positive Entwicklungen und auf richtige Schritte, die uns zum Erfolg führen, der im wahrsten Sinne des Wortes gut schmecke. Möge Gottes Segen auf uns allen ruhen, unsere Wege leiten und uns mit Kraft und Inspiration erfüllen!

Die Vergangenheit als Wegweiser für die Zukunft

von Rabbinerin Natalia Verzhbovska, stellvertretende Vorsitzende 

Rosch haSchana, das jüdische Neujahrsfest, ist ein Feiertag voller inhaltlicher Kontraste und emotionaler sowie spiritueller Spannung. Es ruft die Menschen dazu auf, ihre Taten und deren Auswirkungen zu reflektieren, Reue zu zeigen und um Vergebung zu bitten. Dieser Tag lädt dazu ein, die eigenen Ziele und Visionen ein letztes Mal zu überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren. In diesem Dialog tritt die Wahrheit manchmal unbequem und unangenehm aus dem Schatten ins Licht, und die Dinge erscheinen in ihrer wahren Form unverzerrt und ohne Verschönerung. In den Synagogen kleiden sich die Menschen weiß – ein Symbol für einen Neuanfang. Diese Reinheit ist jedoch das Ergebnis harter innerer Arbeit, bei der sich die Seele von Illusionen, Lügen und endlosen Kompromissen befreit und auf die getroffenen Entscheidungen konzentriert.

Rosch haSchana ist ein Moment der Begegnung zwischen der Vergangenheit, die aus Erinnerungen auftaucht, und der Zukunft, die dem Menschen ein offenes Feld von Möglichkeiten bietet. Es erinnert uns daran, dass sowohl die Geschichte als auch unsere Visionen und Träume unseren Lebensweg prägen und uns entweder unserem Ziel näher bringen oder davon entfernen. Aus unseren Fehlern lernen wir, was uns und anderen schadet, und von unserem Erfolg, was uns stärkt. Dieses Prinzip gilt sowohl für den einzelnen Menschen als auch für Gemeinschaften.

Die zahlreichen Konflikte in der Welt, wie der Krieg in der Ukraine und die Gewaltkonflikte in Israel, zeigen deutlich, dass die Fragen, die Rosch haSchana als Tag der Selbstanalyse und Reflexion mit sich bringt, heute ebenso aktuell sind wie in der Vergangenheit. Hat die Weltgemeinschaft aus der Tragödie der Schoa, des Holocausts gelernt, oder gewinnen Antisemitismus und Fremdenhass erneut an Einfluss? Sind wir weise genug, zwischen Manipulation und echtem Streben nach Gerechtigkeit zu unterscheiden? Halten wir an den Werten Nächstenliebe, Wahrheit und Frieden fest? Mit großer Besorgnis beobachten Jüdinnen und Juden weltweit, wie populistische Parolen immer mehr Menschen mobilisieren. Das jüdische Volk, bei dem die Wunden des Holocausts noch nicht vollständig verheilt sind, weiß genau, zu welchen Folgen solche Ideen führen können. Wenn wir uns unsere Gesellschaft als einen Ort des harmonischen Zusammenlebens, der religiösen und kulturellen Vielfalt sowie des Wohlstands und des Gedeihens vorstellen und danach streben, müssen wir heute unsere Stimme für die Werte der Demokratie erheben. Heute muss uns die Geschichte den Weg in die Zukunft weisen, damit die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholt werden und unsere Seelen in ihrer Reinheit für das Gute und die Liebe bewahrt werden. Dann können wir alle die himmlische Gerechtigkeit genießen, die der Ewige der Erde versprochen hat, wie es im Psalm geschrieben steht: „Wahrheit sprießt aus der Erde, und vom Himmel blickt Gerechtigkeit hernieder.“ (Ps 85,12)